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Mittwoch, 4. Oktober 2023

Schilderwald #75 und Erinnerungen an DDR-Besuche

Zum gestrigen Feiertag sind mir nicht nur Erinnerungen an frühere Zeiten in den Sinn gekommen, ich habe sogar halbwegs passende Schilder mitgebracht.

An der Ev. Georgenkirche in Waren an der Müritz 


habe ich diese Schilder entdeckt, allerdings erst auf den 2. Blick, wenn man den Kopf gen Himmel richtet. Zum besseren Lesen habe ich sie alle ausgerichtet






Beim Lesen der Schilder fielen mir gleich Erlebnisse rund um die Besuche in der DDR ein. Diese Reisen mussten immer perfekt vorbereitet und durchgeplant werden damit an der Grenze alles möglichst reibungsfrei ablief. Das A und O war ein staatskonform gepackter Koffer. Die gewünschten und heißersehnten Gastgeschenke mussten auf langen Zolllisten einzeln deklariert werden, wobei man die Höchstmengen an Kaffee, Tabak, Schokolade usw. auf gar keinen Fall überschreiten durfte. Jedes Gramm zu viel wäre uns an der Grenze abgenommen worden. Strengstens verboten waren Tonträger mit westlicher Musik, Zeitschriften und Bücher mit westlichem Gedankengut sowie Geschenkartikel mit Aufdrucken von westlichen Firmen, egal ob T-Shirts, Kugelschreiber, Luftballons oder Flaschenöffner. Damals waren solche Artikel mit Aufdrucken wie Coca-Cola, New York oder Micky Mouse sehr begehrt und wurden in der DDR gelegentlich bei Tauschgeschäften wie Bargeld eingesetzt. 

An der Grenze selber wurde jeder einzelne Wagen kontrolliert. Grenzleute mit Maschinenpistolen standen zwischen Stacheldraht bewehrten, hohen Mauern und hatten einen Gesichtsausdruck zwischen grimmig und angewidert, ein Lächeln oder freundliches Wort war ihnen fremd. Man musste dann das Auto an einer zugewiesenen Stelle verlassen, vorher aber noch Handschuhfach und Kofferraum öffnen, sowie die Rückbank ausbauen. Die Koffer mussten ebenfalls alle geöffnet werden, damit sie von den Grenzschutzleuten durchwühlt werden konnten. Nachdem man mit Spiegeln den Unterboden und mit Sonden den Benzintank nach Schmuggelware inspiziert hatte, wurden wir zum Einräumen aufgefordert und durften eine Station, sprich ca. 150 - 200 m, weiter fahren. Am Grenzübergang Herleshausen/Wartha war es ein kleines Haus in dem die Geld-, Pass- und Zollangelegenheiten zu erledigen waren. Devisen aus der BRD waren der DDR sehr willkommen, weshalb man zu einem täglichen Zwangsumtausch von zuletzt 25 DM pro Tag verpflichtet war. Getauscht wurde im Verhältnis 1:1. Das für uns "wertlose" Geld, man konnte ja nichts für uns Westbürger "Sinnvolles" kaufen, haben wir immer den Verwandten überlassen, denn eine Ausfuhr von DDR-Mark stand unter hohen Strafen. Danach gab es noch eine Personenkontrolle und irgendwann nach knapp 2 Stunden dufte man die Grenze mit dem Stempel im Pass, den durchwühlten Koffern und dem getauschten Geld verlassen. Bei der Ausreise war es dann ähnlich.

So, jetzt habe ich heute mal jede Menge geschrieben und hoffe sehr, dass es euch nicht langweilig wurde. Könnt ihr euch auch noch an Pakete oder Reisen in die DDR erinnern? Auf jeden Fall freue ich mich schon auf eure Schilder. 

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10 Kommentare:

  1. Guten Morgen liebe Arti, da hast du ja hautnah die Vergangenheit erleben können. Mich hat das erschreckt, als ich deine Zeilen las. Das waren Jahre furchtbarer Zeiten. Menschen mussten ihr Leben lassen, wenn sie all dem entfliehen wollten, was du geschildert hast oder wanderten ins Gefängnis. Wir leben in einer anderen Zeit, aber ist sie wirklich besser? Wenn man die" Wahl"sendungen anschaut frage ich mich oftmals müssen diese Manipulationen oder sogar Lügen wirklich sein um an die Macht zu kommen?
    Nachdenkliche, aber liebe Grüße sende ich dir, Karin Lissi

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  2. Da wir keine Verwandten in der DDR hatten, habe ich das nie miterlebt, aber durch Erzählungen von anderen mitbekommen.
    ich stelle es mir auf alle fälle sehr entwürdigend vor, so durchwühlt und abgefertigt zu werden.

    Die Schilder selbst sind schwierig zu lesen, weil die Buchstabender Worte ungewöhnlich getrennt sich und nicht immer auf anhieb als zusammengehörig auf den ersten blick erkannt werden. auf alle Fälle regen die Schrifttafeln zum Nachdenken an.

    lg gabi

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  3. Guten Morgen liebe Arti, ja es gab sehr schlechte Zeiten in der DDR. Du beschreibst es sehr gut in deinem Post.
    Ich kann dir sagen, dass ich ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Das ist eine lange Geschichte die ich hier nicht schreiben kann.
    Danke für deinen Post den ich sehr gerne gelesen habe.
    Ganz liebe Mittwochsgrüße
    Christine

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  4. Gut, dass diese Zeit Vergangenheit ist !!!
    Eine Autofahrt 1977 durch die DDR nach Westberlin ist mir in schrecklicher Erinnerung ;-((
    Schönen Gruß,
    Luis

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  5. Hallo liebe Arti,
    wir hatten auch keine Verwandten in der DDR und heute als Erwachsene weiß ich ja was das alles bedeutet hat. Aber als Kind ich wäre so gerne mit meiner Schulfreundin einmal dorthin gefahren und konnte das überhaupt nicht verstehen, warum das nicht gehen sollte. Irgendwie habe ich mir das damals so ganz anders vorgestellt und meine Freundin hat ja auch immer nur für mich "lustige" Geschichten erzählt, anders hat sie die DDR ja auch gar nicht kennengelernt.
    Ich weiß dieses Durchsuchen etc. nur vom Hörensagen, ein sehr interessanter Beitrag welchen Du heute für uns hast
    liebe Grüße
    Kirsi

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  6. von Helga:
    Liebe Arti, mutig trittst Du da eine Lawine los....
    da kann ich, wenn ich anfange, gar nicht aufhören zu schreiben. Ein kleines Büchlein würde ich schon füllen können.
    Wir waren oftmals in Warnemünde. Mal mit dem Auto, wenn wir die bürokratische Genehmigung bekamen, die allerdings unsere Gastgeber beantragen mußten, ansonsten mit dem Zug, über Hof, Töpen Grenze, nach Rostock. Verwandte und Bekannte meines Stiefvaters ein Flüchtling 1945 aus Stettin, den Mama 1948 heiratete.
    Dann gibt es dutzende Episoden an den Grenzen, die ich nur stichpunktartig erwähnen kann.
    Mama wurde im Zug in Wismar gebeten auszusteigen und wurde gefilzt bis auf die nackte Haut. Wir anderen, ihr Mann mein Bruder mit Braut und ich fuhren weiter.
    Anderntags standen wir dann am Bahnhof in Warnemünde bis wir sie wieder hatten. Andermal mit dem Auto wurde uns im Benzintank herumgestochert und eine Tischdecke einfach abgenommen, das wäre DDR Gut und darf nicht ausgeführt werden. Die hintere Sitzbank wurde ausgebaut. Bei der Einreise wurden unsere Zeitschriften und die Sportzeitung der Kicker meines Bruders einkassiert. Ab der Grenze in Hof wurde die Abfahrtszeit notiert, damit man auf der Transitstrecke nicht anhielt, war streng verboten. Es gab aber auch mal was schönes zu berichten, als wir im Strandbad eine Ansage erhielten, am 10. Juli 1958 ist die Enkelin, meine Nichte also, im Klinikum Nürnberg geboren worden. Evelyne ist da und alle Badegäste spendeten Applaus.
    Ansonsten haben wir uns Dank Mama mit DDR Geld selbst versorgt, eins zu vier getauscht und wir konnten einkaufen gehen, wenn es auch nix gescheites gab. Bernstein wurde über als Schmuckstücke angeboten. Ich erstand mal eine Badejacke aus Frotteestoff und war stolz. Gern gesehen war das allerdings nicht, daß die Wessis da kommen und uns leerkaufen, wo wir doch eh nix haben.
    Meinen Bruder der für drei Jahre von seiner Firma nach Berlin ausgeliehen war und in Steglitz eine Wohnung hatte wurde am Check point Charly aus dem Auto gebeten, in einem verdunkelten Kastenwagen durch die Nacht gekarrt irgendwohin, bis heute unbekannt, durchsucht und am anderen Tag wieder zu seinem Auto zurückgebracht.
    Kerstin sollte Brötchen zum Frühstück in Warnemünde beim Bäcker holen, fragt sie mal, wie entsetzt sie heute davon erzählt, daß es keine Brötchen gab. Das will sie heute noch nicht glauben.
    Dann gab es da noch die Geschichte vom Ratzeburger See, wo wir uns eine Russ.Blau Rassekatze aus einem Wurf ausgesucht hatten. Den Jesko von der Laurentziburg wollten wir auf der Rückreise mitnehmen. Der wunderschöne Ratzeburger See mit dem schönen Haus am Ufer im Westteil war aber trügerisch. Den Besitzern war an diesem schönen Wohnort nicht wohl. Da drüben am anderen Ufer sind die Russen und auch ganz schnell da. Schwimmend oder mit dem Boot. Sie wollten dringend weg und das taten sie dann auch. Wir waren in Kontakt, denn sie wollten ja wissen wie sich das Katerchen eingelebt hatte. Ja, er hat sich zur Aufgabe gemacht den Garten zu bewachen und zu verteidigen und saß immer an der Gartentüre, damit niemand ungebetener hereinkam. Unser Gärtlesverteidiger vom Ratzeburger See. Angesiedelt hat sich die Züchterfamilie dann in Mainz und dort auch die angestrebte Zahnarztpraxis eröffnet.
    Frauensache, Ärztin und Katzenliebhaberin.
    So, nun ich habe es ja angekündigt und die Tatsache als 17 jährige noch eine bis heute währende Freundschaft mit einer geflüchteten 19 jährigen aus Halle Saale, die ich dann in der Tanzschule kennenlernte, wir Busenfreundinnen wurden und wir sie herzlich im Elternhaus aufnahmen, dann halt ein andermal. Sie lebt noch und aus uns sind nunmehr zwei „Alte Schachteln“ geworden, 84 und 86 Jahre. Das konnte ich Euch in Kurzform erzählen, das bringen die Lebensjahre so mit sich.
    Ich hoffe es gefällt etwas, hauptsächlich allen Jenen, die diese Zeit nicht erlebt haben.
    Liebe Helgagrüße laße ich da für diesen langen Kommentar, nach Aufforderung von Arti.

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    1. Liebe Helga,
      deine Berichte und Erzählungen waren und sind ja immer spannend zu lesen, deshalb habe ich mich sehr über deinen so ausführlichen Kommentar gefreut. Euch scheint es früher an der Grenze auch ähnlich ergangen zu sein wie uns. Diese Erlebnisse schweißen die Familien zusammen, heute nach 33 Jahren kann man über so manche Episode lachen, was damals vor Ort nicht der Fall war. Erst nicht wenn eine Person dann nicht weiter mitreisen konnte. So etwas gehört zu den allerschlimmsten Dingen die passieren können. Wie gut, dass sich bei euch dann doch alles zum Guten gewendet hat. Vom Hörensagen weiß ich ich noch, dass ein Onkel in Bebra aus dem Zug geholt wurde, dort bei der Durchsuchung, aus welchen Gründen auch immer, verstorben ist... Zu den lustigeren Dingen gehörte dann sicher der Stinkkäse, der gelegentlich mit in den Koffer gelegt wurde in der Hoffnung auf eine nicht so intensive Durchsuchung.
      Ich schicke dir/euch nun ganz liebe Grüße und ein herzliches Dankeschön für das Teilen deiner Erlebnisse
      Arti

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  7. Liebe Arti, huch beinah hätt ich versäumt, dass ja schon wieder Schilderwald-Time ist! Ich hab dir mal meinen aktuellsten Post verlinkt, aber ich habe noch welche von deiner Blogpause in petto, die suche ich dann nachher.
    Ich war niemals in der DDR, deshalb fand ich deine Schilderungen besonders spannend. Bisher hatte ich nur von meinem Bruder gehört, wie bedrückend das damals war. Aber dass da IMMER ALLE Koffer zerwühlt, Autos zerlegt etc. wurden, habe ich nicht gewusst. Ich war nur mit 15 mal mit meinem Bruder in Ungarn - er kaufte gerne in Budapest in der DDR-Bibliothek billige Bücher ein, teilweise auch für seinen Unterricht. (Er unterrichtete Sport und Geschichte). Und ich habe mir damals mehrere Jules-Verne-Bücher gekauft, sehr günstig und mit mit extrem dünnem Papier. An die Grenzkontrolle bei der Hinfahrt kann ich mich nur vage erinnern, bis auf die grimmigen Maschingengewehr-Träger. Aber bei der Rückfahrt war die Kontrolle lustig. Mein Bruder legte nämlich im Kofferraum mehrere einschlägige Bücher obenauf. Der Grenzer sagte (fast schon freudig!): "Oh, Karl Marx!", schlug den Kofferraum zu, und wir durften fahren! ;-DDD
    Alles Liebe und schöne Oktobertage
    Traude
    🍁🌻🍂 🌻🍁
    https://rostrose.blogspot.com/2023/10/straenkunst-und-gartenlust.html

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  8. Ich bin im Osten aufgewachsen und hatte eine sehr gute Kindheit, an die ich mich gern zurück erinnere. LG Romy

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  9. hach ja..
    so war das damals..
    das wäre ja mal einen Beitrag wert ;)
    aber die Leute dort haben sich arrangiert
    und wer etwas gewitzt war kam schon an die Dinge die er haben wollte
    meist unter dem Ladentisch ..
    liebe Grüße
    Rosi

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